FACE & BODY

Echte Schönheit

2004 startete die Körperpflegemarke Dove die «Kampagne für wahre Schönheit» und löste damit eine kleine Revolution aus. Welche Idee dahintersteckte und wie sie sich seither weiterentwickelt hat, fragten wir Katja Sattelkau aus dem Dove Marketing-Team.

Veröffentlicht am 25.03.2021

Die «Kampagne für wahre Schönheit» von Dove schrieb 2004 Werbegeschichte. Was gab den Anstoss dazu?

Wir zeigten damals erstmalig keine professionellen Models, sondern «echte» Frauen. Damit wollten wir erreichen, dass Frauen sich wohler in ihrer Haut fühlen, und den gängigen Schönheitsbegriff erweitern. Anlass dazu gaben uns die vielen Inszenierungen, die schon damals die Medien- und Werbelandschaft voll im Griff hatten. Wir wollten ein Zeichen setzen gegen diese idealisierte Welt. Seit nun über 15 Jahren setzen wir uns für einen Schönheitsbegriff abseits von Kleidergrösse, Hautfarbe und anderen Äusserlichkeiten ein.

 

Welche Botschaft sollte mit der Kampagne vermittelt werden?
Uns ging es darum, dass sich Konsumentinnen mit den dargestellten Frauen identifizieren können. Wir haben nur authentische Portraits von Frauen gezeigt, wie sie im täglichen Leben anzutreffen sind – inklusive Narben und Fältchen, eben zu 100 Prozent natürlich und damit zu 100 Prozent schön. Das führen wir auch in anderen Kampagnen weiter.

 

Welche Reaktionen rief das hervor?
Der Start der Kampagne kam in der damaligen Werbewelt einer Revolution gleich, denn das Thema «Body Positivity» war noch lange nicht so präsent wie heute. Deshalb wurde viel über die Kampagne gesprochen und diskutiert. Das Feedback, welches wir auch heute noch erhalten, ist überwiegend positiv. Es kommt aber auch mal vor, dass sich Kunden negativ äussern und über die «dicken Frauen in weisser Unterwäsche» herziehen. Das ist zum Glück aber eine schrumpfende Minderheit.

 

Hatte die Werbestrategie auch in anderen Branchen Nachahmer?
Es gibt immer mehr Marken, die das Thema für sich interpretieren, etwa aus den Bereichen Mode, Spielwaren oder Sport. Das freut uns sehr, denn um einen gesellschaftlichen Wandel zu erzielen, braucht es viele Menschen, die in die gleiche Richtung denken. Alles in allem muss aber weit mehr passieren und die gesamte Marketingbranche meiner Meinung nach noch mehr Mut beweisen.

 

Schlägt sich die Werbung auch auf die Verkaufszahlen nieder?
Vor einiger Zeit hatten wir eine Body Lotion-Kampagne am Laufen, bei der die Frauen einzig anhand ihrer persönlichen Geschichten als Protagonisten ausgewählt wurden. Während dieser Kampagne hat sich der Umsatz messbar gesteigert und positive Absatzzahlen nach sich gezogen. Das spornt uns an, genau damit weiterzumachen.

 

2004 bezog sich das Schlagwort «Body Positivity» vor allem auf Figur bzw. Gewicht eines Menschen. Mittlerweile sind weitere Themen hinzugekommen, etwa Narben, Behinderungen oder Krankheitsbilder wie Vitiligo. Hat Dove sich hier ebenfalls positioniert?
2019 haben wir in Zusammenarbeit mit der Bildagentur Getty Images und der Organisation Girlgaze unter dem Titel #ShowUs eine für alle zugängliche Bilddatenbank ins Leben gerufen, die jede Frau in ihrer Einzigartigkeit zeigt. Jedes dieser Bilder beinhaltet eine ganz individuelle Geschichte. Wir möchten alle Kreativen und Medienschaffenden dazu aufrufen, diese Bilder zu nutzen, um die Darstellung von Frauen in den Medien neu zu definieren und sie so zu zeigen, wie sie gesehen werden möchten – als einen Beitrag zur Stärkung des Selbstvertrauens von Frauen auf der ganzen Welt. Natürlich werden nicht nur Personen gezeigt, sondern auch Detailaufnahmen von Narben oder Krankheitsbildern, denn die Datenbank soll unterschiedliche Perspektiven widerspiegeln und weibliche Schönheit auf ehrliche Weise darstellen.

 

Ist es nicht zynisch, solche Themen für Marketing zu nutzen?
Unterschiede oder Besonderheiten von Menschen zu zeigen, finde ich nicht zynisch. Bei #ShowUs geht es darum, eine Plattform zu bieten, die Tabuzonen aufbricht und den Blickwinkel erweitert. Wir als globale Marke sehen uns in der Verantwortung, einen Raum für Veränderungen zu schaffen.

Durch Social Media erlebt die Diversität des Schönheitsverständnisses aktuell einen Rückschlag. Gerade junge Menschen fühlen sich von den hochgradig nachbearbeiteten Fotos, etwa auf Instagram, unter Druck gesetzt. Genau aus diesem Grund haben wir parallel zur «Kampagne für wahre Schönheit» das «Dove Projekt für mehr Selbstwertgefühl» für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Wir engagieren uns dafür, dass junge Menschen mit einem starken Selbstwertgefühl aufwachsen und dadurch ihr volles Potenzial entfalten, statt sich aus Unsicherheit zurückzuziehen. Dafür stehen kostenlose Workshop-Materialien und Infos für Lehrer, Eltern und Mentoren zur Verfügung, die mit Expertinnen entwickelt wurden. Themen wie die Selbstinszenierung von Menschen in den sozialen Medien oder der Einfluss von Stereotypen auf die eigene Wahrnehmung werden darin aufgegriffen. Vergangenen Oktober haben wir im Rahmen des Projekts eine Kampagne gestartet, die Einblicke gibt in die Gefühlswelt von Teenagern, ihre Sorgen, Nöte, Wünsche und Hoffnungen beleuchtet. Ziel war es, darauf aufmerksam zu machen, dass man Unsicherheiten ernst nehmen und Unterstützung bieten sollte. Es ist wichtig, dass wir Erwachsenen unser Selbstvertrauen an die nächste Generation weitergeben, damit sie den täglichen Herausforderungen selbstsicher begegnen kann.

 

Studie zum Frauenbild in der Werbung und den Medien

Hier die Ergebnisse einer Studie, die 2019 im Auftrag von Dove unter 9 027 Frauen aus elf Ländern im Alter von 18 bis 64 Jahren durchgeführt wurde:

  • 70 % der befragten Frauen fühlen sich von den Medien und der Werbung nicht repräsentiert.
  • 67 % finden zudem, dass Marken damit beginnen sollten, Verantwortung zu übernehmen für das Bildmaterial, das sie für ihre Werbung nutzen.
  • 66 % der Frauen haben das Gefühl, dass nur ausgewählte Körperformen und -grössen in Bildern dargestellt werden.
  • 64 % der befragten Frauen stellen fest, dass Auffälligkeiten am Körper wie etwa Narben, Sommersprossen und bestimmte Hautbeschaffenheiten nicht abgebildet werden.
  • Sieben von zehn Frauen fühlen sich unter Druck gesetzt, sich ein Beispiel an dem gelebten Leitbild von Schönheit zu nehmen und danach zu streben.

 

 

 

Expertise in Branding und Marketing
Katja Sattelkau arbeitet seit 25 Jahren bei Unilever, seit 2014 betreut sie die Marke Dove in übergeordneten Themen wie Kampagnen. Sie ist mitverantwortlich für das «Dove Projekt für mehr Selbstwertgefühl», das sich für die Stärkung von Kindern und Jugendlichen einsetzt. Zuvor sammelte sie Erfahrungen u. a. im Verkauf und Trade Marketing.

 

 

 

Text: Katja Kösztler

Studie: «Dove Impact of Beauty Stereotypes Quant Study 2019»

Fotos: stock.adobe.com (1), Unilever (1)

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