Heilsamer Schock
Die Kältekammer als Zusatzangebot im Spa
Die Ganzkörper-Kältetherapie hat viele positiven Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. Mithilfe einer Eis-Sauna kann sie auch im Wellness-Bereich eingesetzt werden.
Woran denken Sie beim Wort Sauna? Wahrscheinlich an intensives Schwitzen. Und wenn Sie Saunieren mögen, vielleicht auch an duftende Aufgüsse und das innere Wohlgefühl, das die Wärme verursacht. Durch extreme Wärme, wie etwa bei der finnischen Sauna mit ihren 80 bis 100 Grad Celsius, kann man tatsächlich viel für die Gesundheit tun. Aber auch durch extreme Kälte mit Temperaturen bis unter 100 Minusgraden. Daher gibt es auch eine eiskalte Sauna. Diese sogenannte Kältekammer hat nachweislich positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Ärzte bezeichnen die Behandlung als Ganzkörper-Kältetherapie, kurz GKKT. Dabei handelt es sich um eine spezielle Form der Kryotherapie.
Die normale Körpertemperatur des Menschen beträgt 37 Grad Celsius. Was darüber liegt, wird als erhöhte Temperatur bzw. Fieber bezeichnet. Alles, was auch nur geringfügig darunter liegt, gilt als „Untertemperatur“, die aber normalerweise keinen Grund zur Besorgnis darstellt, zumal sie sich rasch wieder auf Normaltemperatur einpendelt. Wir können unsere Normaltemperatur durch Saunieren – ob heiss oder kalt – in die eine oder andere Richtung verschieben. Damit kann sich ein gesunder Mensch abhärten, Krankheiten vorbeugen und das Immunsystem stärken.
Keine Chance für Keime
Das betrifft vor allem die GKKT, denn der Aufenthalt in der Kältekammer ist nur kurz, während man in der heissen Sauna länger verweilt und ausserdem mit anderen Gästen zusammensitzt. Ist einer von ihnen erkältet, breiten sich die Keime bei feucht-warmem Klima schnell aus. Deshalb sollten nur gesunde Menschen in die Sauna gehen. Anders ist es bei der Kältekammer. Hier ist man ganz alleine, und unter den extremen Temperaturbedingungen und der trockenen Luft vermehren sich Erkältungskeime nicht – im Gegenteil, sie werden unterdrückt. Ein Grund auch, warum sich im Winter keine Keime von aussen verbreiten. Ansteckungen erfolgen nur in warmen Innenräumen, über Händedruck, Husten und Schnupfen. Mit der Keimflora in der Kälte hat das nichts zu tun, wohl aber mit fehlenden Abwehrkräften und einem geschwächten Immunsystem.
Bevor man in die Kältekammer steigt, sollte man sich einem Gesundheitscheck beim Arzt unterziehen. Denn die Kryotherapie ist nicht für jeden geeignet. Kontraindiziert ist sie etwa bei unbehandeltem Bluthochdruck mit Werten über 160:100 mmHg, einem Herzinfarkt, der weniger als sechs Monate zurückliegt, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Lunge, Herzschrittmacher, akuten Atemwegs- und Venenerkrankungen, Schwangerschaft, Anfallsleiden (etwa Epilepsie), Klaustrophobie, Tumorerkrankungen und Hautinfektionen. Vorsicht ist geboten bei Übergewicht, Kurzatmigkeit und Durchblutungsstörungen.
Mit Bikini und Handschuhen
Während der Anwendung gilt es ausserdem kälteempfindliche Körperteile zu schützen. Man trägt zwar Badebekleidung, aber auch geschlossene Finken / Hausschuhe und Handschuhe zum Schutz der Fuss- und Fingerspitzen sowie ein breites Stirnband, das bis über die Ohren reicht. Auch ein Atemschutz ist erforderlich, weil die Atemluft warm und feucht ist und sofort gefrieren würde.
Damit der Körper sich akklimatisieren und die Restfeuchtigkeit auf der Haut verdunsten kann, startet man zunächst mit kurzen Aufenthalten in der Kältekammer bei -10 und dann bei bis zu -60 Grad Celsius. Der darauffolgende Kälteaufenthalt in der eigentlichen Anwendungskammer bei -150 Grad und weniger (bis zu -190 Grad) dauert nur drei Minuten. Dabei sollte man sich langsam und ruhig im Kreis bewegen. Wegen der fehlenden Verdampfungskälte, der extrem trockenen Luft – die Luftfeuchtigkeit beträgt rund 0 Prozent – und der trockenen Haut wird die Kälte nicht als so niedrig empfunden. Man spricht hier von gefühlter Temperatur. So empfindet man etwa ein kaltes Tauchbad nach der heissen Sauna als kälter als diese drei Minuten bei -150 Grad. Nach dem Verlassen der Eis-Sauna spürt man ein leichtes Kribbeln auf der Haut, meist ist sie etwas gerötet. Dann ist Entspannung angesagt, auch ein individuelles Anwendungs- oder Therapieprogramm ist im Anschluss möglich.
Die Wirkungen der Ganzkörper-Kältetherapie sind vielfältig. Besuche in der Eis-Sauna können Schmerzen lindern, Entzündungen hemmen, das Immunsystem vorteilhaft beeinflussen, den Muskeltonus regulieren sowie die Durchblutung der Muskulatur und die Funktion der Gelenke verbessern. Mit der GKKT kann man gegen entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Morbus Bechterew ebenso vorgehen wie gegen degenerative Erkrankungen (Arthrose) oder Hals- und Lendenwirbelsäulen- Syndrome. Auch chronische Schmerzzustände, Fibromyalgie, spastische Muskelverspannungen, multiple Sklerose, Schuppenflechte, Neurodermitis oder das Burnout-Syndrom lassen sich damit behandeln.
Insgesamt fördert die GKKT das Wohlbefinden, stimuliert die seelisch-körperliche Leistung und ökonomisiert das Herz- Kreislauf-System sowie den Energiehaushalt. Pro Sitzung werden etwa 700 Kalorien verbrannt, die Körperwärme sinkt drastisch ab, im Kern auf etwa 15 Grad Celsius. Auch strafft die Kältetherapie die Haut. Diese zieht sich zusammen, wird glatter und ausserdem aufnahmefähiger für Pflegeprodukte.
In den Bereichen Sport und Wellness dient die GKKT der Prophylaxe und der Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens. Beim Sport kann sie zur Verkürzung der Rehabilitationszeit eingesetzt werden, zur Schmerzbehandlung, Optimierung der Trainingsintervalle und zur Steigerung der Leistung. Im Mittelpunkt steht – je nach Sportart – die Verbesserung motorischer und koordinativer Leistungen wie etwa Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer. Bemerkenswert: Weniger Austrainierte erreichen hier eine prozentual höhere Leistungssteigerung als durchtrainierte Profisportler.
Anschaffung mit Potenzial
Im Wellness-Bereich steht die Eigenverantwortung für die Gesundheit im Mittelpunkt. Hier hat sich inzwischen ein „zweiter Gesundheitsmarkt“ etabliert. Eine Kältekammer ist eine nicht ganz günstige, aber lohnenswerte Anschaffung. Denn noch haben relativ wenige Spa’s diesen Service im Portfolio. Eine Eis-Sauna hat also Alleinstellungspotenzial. Und angesichts von Einzelsitzungspreisen um die 70 Franken bei kurzer Nutzungsdauer besteht eine hohe Gewinnspanne. Im Internet findet man eine wachsende Zahl von Herstellern, die Kältekammern in verschiedenen Grössen, Farben und Formen in unterschiedlichen Preiskategorien anbieten.
Und man kann weitere Dienstleistungen oder gar ein ganzes Ritual rund um das eigentliche Angebot zusammenstellen. Nach der Kälte sollte sich der Gast langsam aufwärmen und etwas ruhen. Auch Schwimmen im warmen Wasser ist ideal, um den Körper zu entspannen und zu lockern. Eine sanfte Massage mit pflegendem Öl eignet sich ebenfalls als Folgebehandlung. Und schon fühlt sich der Kunde wie neugeboren!
Lange Tradition
Schon seit dem Altertum ist Kälte als Therapieform bekannt. Sie wurde u. a. im Corpus Hippocraticum erwähnt, einer antiken Sammlung von medizinischen Texten. Der bekannteste deutschsprachige Vertreter der Ganzkörper-Kältetherapie ist wohl Sebastian Kneipp (1821 – 1897), der Naturheilkundler aus Bad Wörishofen. Er wusste nicht nur um die Heilwirkung des Wassers, sondern auch um die positiven Einflüsse von Kälte bei etlichen Krankheiten. Auch die Wechselwirkungen von heiss und kalt waren ihm bekannt und wurden in seinen Bädern und Güssen therapeutisch genutzt.
Autorin:
Sonja Carlsson
ist Diplom-Ernährungswissenschaftlerin und arbeitet als freie Fachjournalistin. Sie hat sich auf die Themenbereiche Ernährung und Gesundheit spezialisiert und ist ausserdem erfolgreiche Autorin zahlreicher Kochbücher und Gesundheitsratgeber.
Kontakt:
sonja.carlsson@t-online.de
Text: Sonja Carlsson
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