Die Alleskönner

Unglaublich, aber wahr! Jede Stunde verliert ein Mensch rund 600 000 Hautschuppen, die durch neue Hautzellen ersetzt werden. Das geschieht meist mechanisch und ganz nebenbei. Beispielsweise beim An- oder Ausziehen eines Pullovers oder beim Abtrocknen mit einem Handtuch. Auf diese Weise hat sich unsere Haut nach 27 bis 28 Tagen einmal runderneuert. Wenn wir älter werden, läuft dieser Vorgang allerdings nicht mehr ganz gleichmässig ab. Die Folge kann trockene Haut mit Schüppchen sein, wodurch der Teint stumpf und fahl erscheint. Hier kommen Fruchtsäure- Peelings ins Spiel! Sie sorgen dafür, dass die oberste Hautschicht und Hornschüppchen abgetragen werden. Die Haut wirkt sofort feiner und frischer. Aber das ist natürlich nicht alles. Fruchtsäuren sind wahre Alleskönner!

Halten wir zu Beginn fest: Als Fruchtsäuren werden Hydroxysäuren bezeichnet. Wie der Name es erahnen lässt, kommen sie hauptsächlich in Früchten vor. Die genaue Bezeichnung lautet Alpha-Hydroxysäuren, kurz AHA. Das «A» am Ende steht dabei für Acid, also das englische Wort für Säure.

Bei den Fruchtsäure-Systemen muss man zwischen intensiven und sanften unterscheiden sowie zwischen Alpha-(AHA) und Beta-Hydroxysäuren (BHA). Während AHA dank ihrer kleinen Molekularstruktur tiefer eindringen können, wirken BHA eher oberflächlich, aber durchaus auch intensiv, je nach Einstellung des pH-Wertes. Wichtig dabei ist, dass man den AHA-Gehalt des Produktes kennt, um so den Effekt, den das Produkt erreichen soll, steuern zu können.

Der pH-Wert ist entscheidend

Je niedriger der pH-Wert ist, desto intensiver wirkt die Säure auf der Haut. Selbst eine zehnprozentige Säure mit einem niedrigen pH-Wert (unter 3,0) gehört ausschliesslich in professionelle Hände, da nach der Anwendung eine Neutralisation erforderlich ist. Es kommt also nicht auf die Prozentwerte, sondern vielmehr auf die pH-Werte eines AHA-Produktes an. Grundsätzlich gilt daher: Je stärker die Säure, desto niedriger der pH-Wert.

Zu welcher Jahreszeit dürfen Fruchtsäuren zum Einsatz kommen?

Ganzjährig einsetzbar sind die sogenannten sanften Säureprodukte, deren pH-Wert über 3,5 liegt, weil man diese nicht neutralisieren muss. Sie wirken milder, deshalb können sie auch während der Frühjahrs- und Sommermonate angewendet werden. Dies gilt jedoch nicht für intensive Säureprodukte! Hier muss man strikt auf die Aussetzung während der warmen Jahreszeit achten. Und diese Säuren müssen immer neutralisiert werden, weil ihr pH-Wert unter 3,5 liegt.

Welche Vorteile bieten AHA-Säuren, wie z. B. Glycolsäure?

Diese Vielkönner-Fruchtsäure hat dank ihrer kleinen Molekülgrösse den Vorteil, dass sie leicht und tief in die Haut eindringen kann, um dort ihre volle Wirkung zu entfalten. Sie dient z. B. zur Hautverjüngung, denn sie regt den Zellstoffwechsel und die Kollagenproduktion an. Ausserdem wird die Fähigkeit der Haut, Feuchtigkeit zu binden, erhöht. Das bedeutet, sie trocknet nicht aus. Auch unreine Haut kann besser ausheilen, da die Hautoberfläche wieder in Balance gebracht wird. Vergrösserte Poren und Alterserscheinungen werden durch Glycolsäure ebenfalls gemildert.

Welche Vorteile bieten BHA-Säuren, wie z. B. Salicylsäure?

Beta-Hydroxysäuren ermöglichen sogenannte keratolytische Oberflächenpeelings. BHA hilft vor allem unreiner Haut – sie wirkt gegen Mitesser, Talgüberproduktion und eher ölige Haut. Zudem hat sie eine antibakterielle Wirkung. Salicylsäure wird aber auch gerne als «Oberflächen-Zerkleinerer » genutzt, um die Haut zu öffnen und somit Wirkstoffe tiefer einschleusen zu können. Die intensivere Variante der Salicylsäure mit einem pH-Wert von unter 3,5 wird im Profi-Bereich auch als Anti- Aging-Peeling eingesetzt.

Die fachgerechte Anwendung

Grob zusammengefasst kann man also sagen: AHA-Peelings werden am besten bei trockener oder sonnengeschädigter Haut angewendet. BHA-Peelings eignen sich sehr gut für Mischhaut oder fettige Haut, die zu Unreinheiten neigt. Bei den sanften Säuren sollte die Produktanleitung zur Anwendung beachtet werden, ansonsten sind keine besonderen Massnahmen zu beachten. Intensive Säurepeelings hingegen gehören ausschliesslich in fachlich geschulte Kosmetikhände, da diese immer neutralisiert werden müssen! Hier hat die richtige Anwendung oberste Priorität. Auch bei fachgerechtem Einsatz kann es jedoch zu leichten Rötungen, sanftem Brennen oder zu vereinzelten Schuppungen kommen, die aber das Hautbild nicht beeinträchtigen. Gerade bei unreiner Haut ist zunächst eine leichte «Verschlimmerung» möglich, da die Haut «arbeitet» und Unreinheiten an die Oberfläche gelangen, weil sie abgestossen werden. Wenn man intensive Säuren im Institut einsetzen möchte, ist Erfahrung und eine gründliche Schulung unabdingbar. Denn gewisse Kontraindikationen sollten beachtet werden. Wichtige Informationen sind dabei z. B., ob die Kundin Antibiotika bzw. andere Medikamente einnimmt oder ob bereits andere Schälkuren vorausgegangen sind. Diese und weitere Angaben geben der Kosmetikerin wichtige Anhaltspunkte darüber, ob und wann sie eine intensive Fruchtsäurebehandlung durchführen kann.

Durch die Anwendung von Fruchtsäuren werden Hautzellen abgelöst, folglich wird die Haut lichtempfindlicher. Daher ist ein hoher Sonnenschutz ein absolutes Muss, um Pigmentverschiebungen vorzubeugen. Ein Lichtschutzfaktor von 30 ist das Mindeste. Für Gesicht, Hals und Dekolleté darf es auch ruhig LSF 50 sein.

Ausführlich informieren

Professionelle Institute arbeiten mit sogenannten Aufklärungsbögen. Sie informieren die Endverbraucher über den Umgang mit der Fruchtsäure während der Behandlung und wie lange diese vorgesehen ist. Ebenso erhalten die Kunden einen Einblick in die Kontraindikationen. Der Aufklärungsbogen sollte im Vorfeld von jeder Kundin unterschrieben werden. Auf diese Weise kann die Kosmetikerin sicher sein, dass wichtige Informationen zu Massnahmen bzw. «Dos» und «Don’ts» vor, während und nach der Fruchtsäure-Behandlung zur Kenntnis genommen wurden.

Die Haut klären und verjüngen

Fruchtsäure-Anwendungen beschleunigen die Neubildung von Hautzellen und wirken dadurch wie ein Verjüngungs- System. Die Resultate sprechen für sich. Hier die möglichen Behandlungsergebnisse im Überblick:

• neue Hautzellen zeigen sich schneller an der Oberfläche
• das gesamte Hautbild wirkt deutlich frischer und jugendlicher
• unregelmässige Hautverdickungen werden abgetragen
• die epidermale Faltentiefe kann gemildert werden
• verstopfte Poren werden frei und können ausheilen
• unreine Haut kann wirksam verbessert werden

Gut zu wissen

• Der pH-Wert gibt an, wie stark sauer oder alkalisch (basisch) eine Lösung ist. Der pH-Bereich unter 7 wird als sauer, der über 7 als alkalisch bezeichnet. Wasser ist neutral und hat einen pH-Wert von 7.
• Lösungen mit einem pHWert zwischen 0 und 3 sind stark sauer (z. B. Magensäure mit 1,5), Lösungen von 4 bis 7 schwach sauer, von 7 bis 11 schwach basisch und von 11 bis 14 stark basisch z. B. Kalilauge).
• Gesunde Haut hat durchschnittlich einen schwach sauren pH-Wert von 5,4 bis 5,9. Das saure Milieu schützt sie vor unerwünschten Bakterien und Pilzen. 

Sandra Willms

Die erfahrene Beauty-Expertin ist Aesthetic Therapeutin und Inhaberin sowie Geschäftsführerin von dermaceutical. Das Aachener Unternehmen entwickelt und produziert Produkte auf dem Gebiet der dermazeutischen Schönheitskosmetik.

sandra.willms@ dermaceutical.de

Text: Sandra Willms

Fotos: stock.adobe.com (2), Sandra Willms (1)