DAILY BUSINESS

Echtheit überzeugt

Authentizität kommt beim Kunden besser an

Veröffentlicht am 03.12.2020

Ob Kunde oder Kosmetikerin – jeder hat mal einen schlechten Tag. Wenn dann die negativen Gefühle schlecht überspielt werden, bezieht das Gegenüber diese womöglich auf sich. Und das führt oft zur Verunsicherung.

 

Dienstleister, die sich vor den Kunden verstellen und so tun „als ob“, werden schnell entlarvt und wirken unglaubwürdig. Denn der Kunde spürt, dass etwas nicht stimmig ist. Unbewusst überträgt er dieses Gefühl ganz allgemein auf die Qualität der Mitarbeiter im Kosmetikinstitut. Sein Gehirn sucht nach Beweisen und verteilt vorverurteilende Prädikate wie „unordentlich“, „teuer“, „unfreundlich“ oder „unprofessionell“. Und das alles nur, weil sein Eindruck mit der inneren Haltung der Kosmetikerin steht und fällt. Ein guter Einstieg in die Behandlung sieht wahrlich anders aus.

Die Kundin Regina liegt erwartungsvoll auf der Behandlungsliege im Institut. Schon seit Tagen freut sie sich auf ihren Kosmetiktermin. Im Büro hat sie in den letzten Monaten hart für für eine Beförderung gearbeitet, die nun doch eine Kollegin bekommen hat. Jetzt will Regina innerlich „runterkommen“ und sich um sich selbst kümmern. Da fliegt die Tür der Kabine auf und Ulrike, ihre Kosmetikerin, stapft zackig herein. Schon deren „Guten Morgen“ klingt für Regina irgendwie zu hart. Ulrike begrüsst ihre Kundin standardmässig, fragt nach ihren Wünschen und wie es ihr geht. Regina hingegen empfindet diese Vorgehensweise wie abgespult und fühlt sich auf einmal unwohl, ja fast schon fehl am Platz. Sie atmet tief durch und versucht, sich wieder zu entspannen.

Doch Ulrike hört einfach nicht auf zu reden, während sie die Behandlungsutensilien geräuschvoll vorbereitet. Das allein wäre ja eigentlich kein Problem, wenn nur ihr Ton nicht so aufgesetzt und forsch wäre. Regina kann nicht abschalten und weiss noch nicht einmal warum. Und dann erinnert sie sich auch noch daran, dass sie vergessen hat, einen wichtigen Brief ans Finanzamt einzuwerfen. Sie traut sich nicht, Ulrike in ihrem Tatendrang zu unterbrechen. Also wartet sie ungeduldig, bis die Behandlung vorüber ist, und hetzt danach zum Briefkasten.

 

Die andere Seite der Medaille

Kosmetikerin Ulrike ist stinksauer. Heute morgen hat ihr elfjähriger Sohn ihr seine Zwei in Mathe „präsentiert“. Sie hatte sich schrecklich darüber aufgeregt, denn das bedeutet, dass sie in Zukunft noch mehr mit ihm lernen muss. Doch dafür hat sie im Moment überhaupt gar keine Zeit. Ihr Terminkalender ist voll und das Institut gerade erst einmal seit sechs Monaten geöffnet. Auf dem Weg zur Arbeit überlegt sie hin und her, wie sie all ihre Verpflichtungen unter einen Hut bekommen soll. Als sie dann ihr Institut betritt, teilt ihr die Auszubildende mit, dass die erste Kundin bereits warte. „Zehn Minuten zu früh, gut! Wenn ich mich beeile, kann ich nach dem Termin schnell eine TestSchulaufgabe aus dem Netz ausdrucken“, denkt sich Ulrike, während sie sich eilig ihren Behandlungskittel überstreift. Dann betritt sie mit strammen Schritten die Kabine. Von ihrem privaten Ärger erzählt sie der Kundin nichts.

 

Zwei unterschiedliche Leben

 Jeder Mensch befindet sich permanent in einem Gefühlszustand. Mal geht es ihm gut, mal geht es ihm schlecht und manchmal empfindet er ganz auch neutral. Gleichzeitig dreht sich jeder um sich selbst, denkt über seine Probleme nach, ist in seiner eigenen Welt „unterwegs“. Gefühle und Befindlichkeiten drücken sich aber auch über die Körpersprache und die Tonalität der Stimme aus. Und kaum einer macht sich dann die Mühe, bei seinem Gegenüber einfach mal nachzufragen, was hinter einem unguten Ton oder seiner unstimmigen Körpersprache steckt. Das Verhalten der Kosmetikerin wird von der Kundin innerhalb ihrer eigenen Lebenssituation interpretiert. Regina fühlt sich fehl am Platz. Ihr Gehirn sucht sofort nach anderen Störfaktoren in ihrem Leben und erinnert sich prompt an den Brief ans Finanzamt, der noch in ihrer Tasche steckt. Doch das weiss ihre Kosmetikerin nicht.

Es wäre nicht so schlimm gewesen, hätte Ulrike authentisch, also stimmig zeigen können, dass sie etwas bewegt. Doch diese versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und ihre Anspannung durch viel Aktivität zu übertünchen. Kundin Regina fühlt sich durch das forsche Gebaren der Behandlerin in einen negativen, angespannten Zustand zurückgeworfen, den sie eigentlich durch die Behandlung loswerden wollte. Warum? Weil es einfach nicht möglich ist, ein schlechtes Gefühl völlig zu überspielen. Man kann sich darüber streiten, ob ein Dienstleister mit dem Kunden über private Probleme sprechen sollte. Ulrike jedenfalls findet es unangemessen und verstellt sich lieber. Die angeschlagene Regina spürt diese Dissonanz – und ist verunsichert.

 

Primär schlägt sekundär

Grundgefühle wie Überraschung, Furcht, Ekel, Freude, Traurigkeit oder Verachtung lassen sich nicht so einfach abstellen. Also lenken wir davon ab und überlagern diese Primärgefühle mit Sekundärgefühlen. So wird z. B. Traurigkeit durch Schuldzuweisungen kaschiert oder Angst durch Aktionismus überlagert. Es ist, als würde man saure Milch durch Zuckern geniessbar machen wollen, um sie dem Gegenüber dann besser verkaufen zu können. Im Umgang mit Kunden erweist sich eine solche Strategie jedoch als sehr heikel, da diese Ablenkungsmanöver oft nach hinten losgehen können. Der Kunde regis triert diese Unstimmigkeit sehr wohl und bezieht sie unter Umständen auf sich. So leidet der Dienstleister nicht nur unter seiner eigenen Stimmung, er überträgt sie auch auf sein Umfeld. Es ist daher eine konsequente Entscheidung, kompromisslos und diszipliniert umzuschalten, weil es die Situation erfordert. Ein Problem sollte nicht über allem stehen, Trauer, Wut und andere Gefühle werden auf die Zeiten vertagt, in denen Raum dafür ist. Diese Taktik ist nicht nur gesund, sie ist auch eine Art gesunder Selbstschutz.

Je bewusster ein Mensch mit seinen eigenen Gefühlen umgeht, desto authentischer wird er. Dann wirkt er nicht nur überzeugender und geradezu magnetisch auf seine Kunden – er hat tatsächlich auch die mentale Kapazität, um wirklich für sie da zu sein. 

Die Chamäleon-Strategie

Der Trick ist, die Tarnung fallen zu lassen und wirklich gut drauf zu sein, statt nur so zu tun. Dafür braucht die Kosmetikerin einen inneren Schalter, der für den konsequenten Rollenwechsel sorgt. So wie sich ein Chamäleon farblich an die Umgebung anpasst, muss sich auch der Dienstleister auf jeden Kunden einstellen. Sobald das Telefon klingelt, ist es zwingend notwendig, alle Gedanken an ein Problem für dieses Telefonat abzustellen, um sich darauf konzentrieren zu können – die Gedanken sind der Hebel! Ein innerer Zustand bleibt nur bestehen, wenn wir ihn weiter nähren. Stellen wir die Gedanken aber konsequent ab, dann rückt das Problem für den Moment in den Hintergrund und das negative Gefühl verschwindet. Das ist eine Entscheidung, die unserem inneren Saboteur nicht gefällt. Er möchte an dem Gefühl festhalten, weil es ein Problem gibt. Und das will schnell gelöst sein, um die eigene Sicherheit wiederherzustellen.     

 

 

Autorin:

Malaila Loher: Die Motivationsexpertin, Autorin und Vortragsrednerin unterstützt seit 15 Jahren als Coach Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung. Ausserdem trainiert sie Führungskräfte und Teams für mehr Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit.

KONTAKT:

info@malaikaloher.de

 

Text: Malaila Loher

Fotos: stock.adobe.com

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