Im Namen der Schönheit
Gefährlicher Trend Skin-Bleaching: In vielen asiatischen und afrikanischen Ländern werden Bleichmittel in der Heimpflege eingesetzt, um die Haut großflächig um einige Töne aufzuhellen. Die gesundheitlichen Folgen werden ignoriert.
In den westlichen Ländern erfreuen sich in der warmen Jahreszeit nach wie vor viele Menschen daran, wenn sie, unter Verwendung von Sonnenschutzmitteln versteht sich, nach den ersten Sonnenbädern ihre mehr oder wenig intensiv gebräunte Haut zur Schau stellen können. Trotz aller Diskussion über die gesundheitlichen Gefahren der Sonneneinstrahlung gilt eine gebräunte Haut in unseren Breiten durchaus als attraktiv. In afrikanischen und asiatischen Ländern dagegen verfolgen Millionen von Menschen ein ganz anderes Ziel. Dort wird alles darangesetzt, eine hellere Haut zu bekommen. Das mag für Menschen ausserhalb der betreffenden ethnischen Gruppen befremdlich klingen, doch Fakt ist, dass der Industriezweig der Hautaufhellungsprodukte jedes Jahr Milliarden umsetzt. Eine helle Haut wird dort oftmals gleichgesetzt mit einem höheren gesellschaftlichen Status und besseren Zukunftschancen.
Noble Blässe in der Geschichte
Eine besonders helle Haut galt bereits in früheren Epochen als Schönheitsideal. Schon im alten Ägypten glaubten die Menschen, dass die Haut der Götter so hell sei wie die Sonne. Blasse Haut galt daher als äusserst attraktiv und nahezu göttlich.
Dass Adlige vom Mittelalter bis zur Neuzeit als «blaublütig» bezeichnet wurden, ist darauf zurückzuführen, dass deren Venen bläulich durch die weiße Haut schimmerten. Wie in den Jahrhunderten zuvor war helle Haut im 17. und 18. Jahrhundert eine Frage des gesellschaftlichen Standes, der zum Ausdruck brachte: Ich kann es mir leisten, andere für mich arbeiten zu lassen und muss nicht in der sengenden Sonne Feldarbeit verrichten. Noch heute spricht man in diesem Zusammenhang von «nobler Blässe».
Um die helle Haut zu erhalten, gab es schon früh erste Hilfsmittel, die vor den Strahlen der Sonne schützen sollten. Im Alten Ägypten benetzte man z. B. die Haut mit einem Öl auf Basis von Jasmin- und Lupinenblüten. In der Antike, in der helle Haut als Zeichen hoher Stellung galt, wurde Olivenöl auf die Haut aufgetragen. Und bereits schon damals war eine Paste aus Zink und Wasser als Sonnenschutz bekannt.
Am häufigsten jedoch wurde die Haut mit entsprechender Kleidung und Kopfbedeckungen vor den Sonnenstrahlen geschützt. Mitte des 17. Jahrhunderts trugen Frauen aus diesem Grund breitkrempige Hüte. Die französische Königin Maria de Medici (1575– 1642) führte um 1600 Sonnenschirme für die Damen am französischen Hof ein. Noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein galt weisse Haut als Schönheitsideal, das man durch breite Hüte und zierliche Sonnenschirme zu bewahren versuchte.
In den 1930er-Jahren galt eine «natürliche» Bräune als ansprechend. Etwa ab 1950 war es chic in Urlaub zu fahren und den Sonnenschein in vollen Zügen zu geniessen. In den 1950er- und 1960er-Jahren galt Sonnenbaden geradezu als Volkssport.
Überbleibsel aus der Kolonialzeit
Die Vermutung liegt auf der Hand, dass die nach wie vor vorherrschende Überzeugung, dass helle Haut Merkmal einer gehobenen Gesellschaftsschicht sei, ein gefährliches Überbleibsel der Kolonialzeit ist.
Zahlreiche Afrikaner und Asiaten verwenden Mittel zur Hautaufhellung, um dem gesellschaftlichen Ideal einer möglichst hellen Haut so nahe wie möglich zu kommen. Laut einer 2011 veröffentlichten Studie «Mercury (Quecksilber, Anm. der Red.) in Skin Lightening Products» der World Health Organization (WHO) wird der Umsatz der Industrie für hautaufhellende Produkte im Jahr 2024 auf 31,2 Billionen US-Dollar geschätzt. In Indien umfasst etwa die Hälfte des Angebots an Hautpflegeartikeln Produkte, die die Haut aufhellen sollen. Etwa 60 Prozent der indischen Frauen dort benutzen Hautaufheller. In China sind es circa 40 Prozent.
Auch in einer Reihe von afrikanischen Ländern ist der Verbrauch von Hautaufhellern besonders durch die weibliche Bevölkerung hoch. Laut WHO benutzen in Nigeria 77 Prozent der Frauen Hautaufheller. Auch in Togo (59 Prozent), Südafrika (59 Prozent), Senegal (27 Prozent) und Mali (25 Prozent) sind die Zahlen im negativen Sinne beeindruckend. In Ghana, der Elfenbeinküste und in Ruanda sind die Bleichungsmittel offiziell verboten. Doch der Schwarzhandel blüht. Oftmals werden die einschlägigen Produkte, die in den Supermärkten anderer Länder für zum Teil wenig Geld frei verkäuflich sind, erworben und in das eigene Land illegal eingeführt.
Gefährlicher Wunsch
Cremes, Seifen, Pillen, Peelings, Tinkturen oder Spritzen, es gibt viele Wege und ein überwältigend grosses Produktangebot, um seine Hautfarbe zu «korrigieren». Scheinbar bedenkenlos werden Hautbleichmittel in asiatischen und afrikanischen Ländern, aber auch von Menschen mit dunkler Hautfarbe in Europa, Australien und den USA eingesetzt, obwohl vor allem die günstigen und nicht zertifizierten Produkte gefährliche Inhaltsstoffe enthalten wie z. B.:
- Steroide
- Hydrochinon
- oder Quecksilber
Diese können von Hautirritationen über Krebs bis hin zu Nierenschäden schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Tief verwurzelte Vorurteile
Doch woher kommt der tief verwurzelte Wunsch nach einer helleren Haut? Was sich viele Frauen mit dunkler Hautfarbe von der gesundheitlich bedenklichen Heimpflege mit Hautbleichmitteln versprechen, lässt sich mit gesellschaftlicher Anerkennung wohl noch am ehesten beschreiben. Eine hellere Haut, so ist es seit Jahrhunderten in den Köpfen der Menschen verankert, ist die bessere, die schönere Haut. Vielerorts wird helle Haut mit Reinheit und Wohlstand in Verbindung gebracht, denn als Hellhäutiger verdient man sein Geld angenehmer als mit harter Feldarbeit. Nach wie vor sind mit dunkler Haut eine Reihe von Vorurteilen verbunden, die tief im Unterbewusstsein abgespeichert sind.
Je heller der Hautton, desto gebildeter und attraktiver wird ein Mensch eingeschätzt. Menschen mit dunkler Hautfarbe dagegen haben schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und bei der Partnersuche. Sie bekommen einen niedrigeren Lohn und haben einen geringeren, sozialen Status, so die allgemeine Meinung in den betreffenden ethnischen Gruppen.
Während sich die Schönheitsideale in der Kolonialzeit an den weissen westlichen Besatzern orientierten, sind es heute viele weisse prominente Persönlichkeiten, wie z. B. Models oder Schauspielerinnen, die der breiten Masse ein unbeschwertes Leben im rauschenden Luxus suggerieren und von den Medien auch entsprechend dargestellt werden. Beyoncé, Rihanna oder Halle Berry etwa, um hier nur einige zu nennen, gelten weitläufig als Sinnbild schwarzer Schönheit, obwohl sie relativ hell sind.
Es liegt nahe, dass sich Menschen mit dunklerer Haut in diesem Schönheitsideal nicht wiederfinden und versuchen, dem Bild ihrer Schönheitsidole mit chemischen Wirkstoffen nahezukommen.
Hinzu kommt der Druck, der durch die Werbung ausgelöst wird. Es ist kein Zufall, dass die Models auf den großen Werbeplakaten eine allenfalls hellbraune Haut zur Schau tragen. Geschätzte 80 Prozent der afrikanischen Models haben mittlerweile eine aufgehellte Haut. Wer mit einer dunkleren Hautfarbe eine Karriere auf dem Laufsteg anstrebt, hat hier denkbar schlechte Chancen.
Mindestens ebenso kritisch zu sehen ist, dass Haut-Bleaching-Produkte in den betreffenden Ländern oft in direkter Nachbarschaft zu Hautpflege- und Kosmetikprodukten zu finden sind. Warnhinweise? Fachliche Beratung? Fehlanzeige. Dagegen tragen die Produkte selbst verheissungsvolle Namen wie Fair and White, White Express, Extreme Glo, Black & White oder Skinlight.
In asiatischen Ländern wie China, Japan und Südkorea hat sich das Bleichen der Haut ebenfalls längst zum Trend entwickelt. Und auch hier gilt weisse Haut als Schönheitsideal und wird gleichgesetzt mit Einfluss, Macht sowie der Zugehörigkeit zur oberen Gesellschaftsschicht. Abweichend dunklere Hauttöne werden den Bauern und der Arbeiterschicht zugeordnet. Dem «Global Industry Analysts Report» von 2017 zufolge geben chinesische Bürger geschätzt bis zu 30 Prozent ihres Jahreseinkommens für Haut-Bleaching Produkte aus. In Japan gehören hautaufhellende Treatments zu den gefragtesten Behandlungen in den Kosmetikstudios.
Keine Kehrtwende in Sicht
Auch in Südkorea gilt eine helle Haut als Statussymbol. Nicht selten unterstützen Eltern ihre Kinder bei der «Optimierung» des Aussehens, um ihnen bessere Chancen auf der Hochschule sowie im Job zu ermöglichen. Allen Warnungen der World Health Organization und angestrengten Kampagnen, die vor den oftmals gesundheitsgefährdenden Bleaching-Produkten warnen zum Trotz, steigen die Verkaufszahlen für diese Art von Produkten weiterhin. Solange es kein gesellschaftliches Umdenken gibt, wird es hier wohl keine Kehrtwende geben.
Text: Elke Rohwer
Fotos: stock.adobe.com (2)